Claudia Larchers The Great Tree Piece bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Naturbeobachtung, digitaler Bildproduktion und künstlerischer Recherche. Was sehen wir, wenn wir einen Baum betrachten? Und was sehen wir nicht? In The Great Tree Piece begeben wir uns auf eine visuelle Reise entlang eines einzelnen Baumes - von der höchsten Spitze seiner Krone bis tief in das verborgene Netzwerk seiner Wurzeln. Dabei eröffnet sich ein vielschichtiger Raum zwischen Wahrnehmung, Naturbeziehung und künstlerischer Interpretation.

Puzzleartige Rindenstrukturen, algorithmisch vervielfacht, lassen ornamentale Bildräume entstehen, die zwischen Natürlichkeit und Abstraktion oszillieren. Die Kamera durchdringt die Oberfläche des Sichtbaren und nähert sich in radikalen Makroaufnahmen der biologischen Mikrostruktur. Damit schafft Claudia Larcher einen visuell-sinnlichen Erfahrungsraum, in dem das Verhältnis von Mensch, Technik und Umwelt neu verhandelt wird.

Zugleich ist der Film eine Reflexion über das Medium selbst: Die kontinuierliche Bewegung der Kamera verweist auf die Idee des Films als Zeitkunst, die eine schichtweise Entfaltung von Bedeutung ermöglicht. Die vertikale Achse der Erzählung - von der Lichtfülle der Baumkrone zum dunklen, von Pilzen und Mykorrhiza durchzogenen Boden - kann auch als symbolische Tiefenbohrung verstanden werden: in die verborgenen, oft übersehenen Zonen des Lebens.

Am Ende kehrt die Kamera in die Baumkrone zurück. Dort beginnen sich die Blätter zu bewegen, begleitet von einem feinen Rauschen, das wie ein Echo des Lebens klingt. Dieser Moment erinnert an den Atem des Baumes und macht spürbar, dass alles Lebendige miteinander verbunden ist. Es entsteht ein Bild der Natur als vernetztes System - ein Gedanke, der auch in der aktuellen Diskussion zwischen Kunst, Ökologie und Technologie immer mehr an Bedeutung gewinnt.

The Great Tree Piece ist somit nicht nur eine visuelle Studie, sondern auch eine kritische Befragung der Repräsentation von Natur im digitalen Zeitalter. Die künstlerisch-performative Geste schafft neue Sichtweisen auf das, was ein Baum ist, sein kann oder schon immer war: ein Ort der Verwandlung, der Beziehungen und der Erinnerung.

Biografie

Claudia Larcher ist Künstlerin, Filmemacherin und KI-Forscherin, die Fotografie nicht nur als technisches Medium, sondern als global vernetzte Praxis mit sozialer und politischer Bedeutung versteht. Ihre Arbeit umfasst Videoanimation, Collage, Fotografie und Installation und konzentriert sich auf die Auswirkungen und experimentellen Anwendungen von künstlicher Intelligenz. Durch die Kombination traditioneller und moderner Methoden der Bildproduktion übersetzt sie digitale Konzepte in physische Räume und erforscht die Materialität des Digitalen und die Wahrnehmung der Realität. Ihre Praxis ist in einer „phygitalen“ (physischen und digitalen) Perspektive verwurzelt und definiert die Grenzen zwischen traditionellen und modernen Medienformen neu. Sie untersucht die Interdependenz von Fotografie und künstlicher Intelligenz, die Materialität algorithmischer Bilder und die Beziehung zwischen Fotografie und Ökologie und trägt damit zu aktuellen Debatten über digitalen Humanismus und automatisierte oder posthumane Fotografie bei.

Sie lebt in Wien und hat ihre Arbeiten in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert, darunter Tokyo Wonder Site (Japan), Slought Foundation Philadelphia, Weimarer Kunstfest, Centre Pompidou (Paris), Ars Electronica Festival (Linz), Gray Area Festival San Francisco, Museum of Contemporary Art in Roskilde, Manifesta 13 und Anthology Film Archives in NYC. Derzeit nimmt sie am ARTTEC Programm des AIT (Austrian Institute of Technology) teil.

www.claudialarcher.com

Praktische Informationen

Vernissage: 11.09.2025, 19 Uhr
Ort: Science Hub (Place St. Ulrich / Koordinaten Google Maps : J44P+QJ Luxemburg)
Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag von 10.00 bis 18.00 Uhr